Dann sitze ich über mein Leben zu Gericht und werde traurigfund übellaunig und neidisch. Da sitze ich dann mit meiner "geistigen Liste" der Träume und Wünsche, der Ideen und Vorstellungen, die ich als "junger Mensch" von meinem Leben hatte. Wie es aussehen sollte, wie es werden sollte. Und dann schaue ich mir das "stattdessen" an, das wie mein Leben wirklich ist, und plötzlich sieht es so aus, als wenn jeder andere ein "glücklicheres" Leben hätte als ich. Das ist natürlich Blödsinn, und das weiss ich auch. Aber es ist schon ganz schön frustrierend festzustellen, dass man gar nichts, aber auch nicht das kleinste bisschen von dem Leben hat, das man sich erträumt hat. Nicht mal den Hund, den man haben wollte.Und das sollte doch nicht so schwer zu schaffen sein. Ist es aber doch, weil es nicht geht. Weil man weiss, dass es nicht richtig ist. Weil man den ganzen Tag im Büro ist und es grausam wäre. Und weil man in der Stadt in einer Etagenwohnung lebt und das kein Leben für einen Hund ist.

Muss wohl an meinem "Lebensmitte-Alter" liegen, dass ich plötzlich so Gedanken habe.

Ebenso packt mich manchmal die Angst, die Panik darüber wie es weitergehen wird. Die Eltern werden immer älter, man weiss plötzlich, dass sie nicht ewig leben werden. Wusste man vorher auch, aber da war es noch "so weit weg". Plötzlich wird es immer greifbarer. Und sie reden plötzlich häufiger über Dinge wie "Testament", "mit der warmen Hand geben", Einäscherung, anonymes Grab ... Und wenn sie dann wirklich sterben, dann wird einem plötzlich klar: Du bist die Nächste. Da ist plötzlich keine Generation mehr "dazwischen". Das macht Angst. Und die Angst darüber alleine zu sterben. Dass da keiner sein wird, der einen besucht wenn man alt ist, keiner der einen mal zum lachen bringt, dem man zum 100. Male rührselige, sentimentale Geschichten aus der Jugend erzählen kann. Als man noch ein wilder Draufgänger / Feger war. Als man verrückte Sachen machte.

Und dann will man plötzlich nicht mal mehr seine Wohnung verlassen, oder seine Eltern besuchen. Weil man möglicherweise feststellen könnte, dass deren Haare noch grauer / weisser geworden sind, sie noch mehr Falten bekommen haben. Dass sie ein wenig wackeliger auf den Füssen sind. Die irrationale Hoffnung, dass wenn man das alles nicht selber sieht, es auch nicht passiert, die Zeit einfach stillsteht, nährt einen. Und man weiss genau, dass das Unsinn ist.

Und man wird neidisch auf die makellose Haut des BeBe-Mädchens, die Unbekümmertheit und die Lebensfreude. Obwohl man genau weiss, dass auchsie irgendwann älter wird. Und man regt sich auf weil so ne blöde Bausparkasse ein junges Mädchen zeigt dass sich gerade ein Haus gebaut hat, und man selber es nie weiter gebracht hat als bis zur Miete einer Etagenwohnung. Und so geht es dann weiter .....

Das sind die Tage, an denen ich einfach zu gar nichts mehr Lust habe. Und so vertrödelt die Zeit mit Nichtstun und man weiss schon im voraus, dass man irgendwann genauso wieder dasitzen wird und sich denken: Wieso bist Du damals nicht einfach spazieren gegangen, oder ins Kino. Aber man kann nichts dagegen tun.

Und man sinniert weiter vor sich hin, wie man sich als "junger Mensch" damit beschäftigt hat herauszubekommen was der "Sinn des Lebens" ist. Die Zeit in der man sich Bücher von Hesse, Kant, Descartes und anderen "schlauen" Köpfen reingezogen hat, oder Castaneda las, der ein oder andere vielleicht sogar mit "Substanzen" experimentierte. Alles um irgendwo vielleicht ein Zipfelchen "Wahrheit" oder "Erkenntnis" zu erhaschen. Dann sucht man denn Sinn und die Erkenntnis in der Religion. Aber tatsächlich findet man sie nirgends. Denn plötzlich weiss man: "es gibt keinen Sinn". Es kommt nichts "danach". Es gibt kein "danach". Und unsere Existenz macht keinen Unterschied. Es ist sogar nicht mal jemand der der sich an einen erinnen wird. Die eigene Existenz hinterlässt nichts von Bedeutung. Denn ganz egal was wir tun oder was passiert, "das Leben" geht einfach weiter.

Das ist natürlich gut so, aber auch sehr trost- und hoffnungslos.